Als „Königin der Instrumente“ gilt die Orgel seit Jahrhunderten. Wäre die Orgel in der katholischen Kirche St. Mauritius in Hattingen-Niederwenigern eine echte Königin, dann wäre ihr royales Gewand wohl verstaubt und in der Krone fehlte ihr der eine oder andere Edelstein. Und trotzdem wäre sie eben durch und durch eine Majestät.
Wenn Moritz Unger, Koordinierender Kirchenmusiker der Pfarrei St. Peter und Paul in Hattingen, von der historischen Stahlhut-Orgel im „Dom“ von Niederwenigern spricht, kommt er aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. „Sie ist ein außergewöhnlichen Schatz der Pfarrgemeinde, ein hervorragendes Instrument“, sagt der 26-Jährige, der seit Dezember 2023 in der Pfarrei tätig ist. „Und dass sie, bis auf ein paar Umbauten, noch weitestgehend original erhalten ist, ist in ganz Deutschland etwas wirklich Seltenes.“
Der größte Teil des Instruments wurde von der renommierten Orgelbaufirma Stahlhuth erschaffen, Teile des Gehäuses sind sogar noch deutlich älter. Fakt ist: Zum letzten Mal restauriert wurde das Instrument vor einem Vierteljahrhundert. „Es muss dringend erneut renoviert werden“, bilanziert Moritz Unger, der Klavier und Orgel in Frankreich studiert hat, aber auch eine Ausbildung zum Orgelbauer – vor allem bei Sandtner in Dillingen – absolviert hat. Er hat gleich zu Beginn seines Dienstantritts in Hattingen tief in der Orgelwerk gesteckt und in den vergangenen Monaten auch bereits Teile selbst repariert.
Zeit hat ihre Spuren hinterlassen
Auf der Rückseite der Orgel muss ein massiver Schimmelbefall unbedingt entfernt werden. Außerdem ist die Orgel in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark verschmutzt. Und die Technik muss überarbeitet werden – immer wieder fallen die Spieleinrichtungen aus. „Der Spieltisch muss komplett abgebaut werden und in seine Einzelteile zerlegt werden. Nur so kann man gewährleisten, dass das Instrument auch in den nächsten Jahrzehnten fehlerfrei funktioniert“, sagt Moritz Unger.
Von Experten aus Orgelbaufirmen werden aktuell Angebote eingeholt. Aber Moritz Unger hat schon begonnen, zugunsten der Stahlhuth-Orgel Orgelkonzerte sowie Orgelführungen in St. Mauritius zu planen, um möglichst viele Menschen für dieses besondere Instrument zu begeistern und die geplanten Maßnahmen am „lebenden Objekt“ zu erläutern. „Wir freuen uns auf jeden Fall über jeden, der die Pfarrei bei diesem Projekt unterstützen möchte“, so Unger.
Älteste Teile der Orgel in St. Mauritius stammen von 1878
Die Orgel von St. Mauritius steht in ihrer heutigen Gestalt seit 1913 in der Kirche. Das hochromantische Orgelwerk wurde von der renommierten Orgelbaufirma Stahlhuth aus Aachen erschaffen, die zur damaligen Zeit zu den angesehensten Orgelbaufirmen in Deutschland zählte. Unter der Leitung von Eduard Stahlhuth wurde im Mauritiusdom ein Musterinstrument des romantischen Orgelbaus gebaut.
Zum Verständnis: Das Gehäuse der Orgel ist noch deutlich älter als das im Inneren befindliche Werk. Das neugotische Gehäuse der Orgel stammt von Orgelbaumeister Wilhelm Küper aus Bochum-Linden. Er erschuf 1878 dieses erste Orgelwerk für den neu erbauten Mauritiusdom.
Wilhelm Küper, selbst gebürtig aus Niederwenigern, arbeitete mit seinem Unternehmen in Linden. „Den Berichten aus Zeitungen und der Überlieferung mancher Einheimischer zufolge soll dies ein recht monumentales Orgelwerk gewesen sein“, hat Moritz Unger recherchiert. Leider seien heute nur noch das Gehäuse sowie lediglich fünf Register erhalten, die beim Neubau 1913 wieder Verwendung fanden. „Bedauerlicherweise ist heute nichts mehr bekannt über diese Orgel.“
Orgelbauer lernte beim berühmten Brüsseler Joseph Merklin
Im Jahre 1913 baute Eduard Stahlhuth dann ein neues Werk in das bestehende Küper-Gehäuse ein. Er stattete die Orgel mit zwei Manualen und 35 Registern aus. „Eine Besonderheit der Stahlhuth-Orgeln allgemein ist, dass der Firmengründer und Vater von Eduard Stahlhuth, Georg Stahlhuth, seine Lehrjahre und Wanderjahre unter anderem in Brüssel verbrachte – beim berühmten Joseph Merklin“, blickt Moritz Unger zurück. Dort lernte Stahlhuth den französischen-symphonischen Orgelbau kennen. Viele Register in diesen Orgeln sind dadurch sehr französisch angehaucht. Exemplarisch dafür wären die beiden überblasenden Flöten in den Manualwerken.
„Überblasend“ bedeutet, die Pfeifen dieser Register sind doppelt so lang wie sie eigentlich sein sollten. In der Mitte der Pfeife ist ein Loch. Über dieses Loch überbläst die Pfeife, ähnlich wie bei einer Querflöte. Und dieser Klang, der dann entsteht, klingt tatsächlich ähnlich wie eine solche. Diese Register sind typisch für den französischen Orgelbau. Dazu kommen noch die kraftvollen Zungenregister wie Trompete, Oboe oder Posaune, die der Orgel ihre Klanggewalt geben.
Letzte Restaurierung liegt ein Vierteljahrhundert zurück
Die Orgel wurde zuletzt 1999/2000 restauriert. Die Orgelbaufirma Stockmann aus Werl/Westfalen, übernahm die Arbeiten. Es wurden die Membranen, die den Luftstrom ansteuern, überarbeitet und teilweise erneuert. Ebenso wurden Bleileitungen, die den Wind zu den Windladen leiten, abgedichtet und überprüft. Es wurden auch mehrere Pfeifen rekonstruiert und eingebaut. Eine abschließende Intonation zog sich bis in den April 2000. Intonateur Rainer Ebben leistete hier ganze Arbeit. Danach wurden die 2359 Pfeifen gestimmt und die Orgel abschließend am Sonntag, 16. April 2000, wieder geweiht und der Gemeinde übergeben.
Die Renovierungsmaßnahmen kosteten damals 400.000 Mark. Das Westfälische Amt für Denkmalpflege steuerte 120.000 Mark bei. Bei der Weihe der Orgel spielten Gereon Georg und der damalige Küster der Pfarrei Ralf-Michael Schmidt. Der Chor der Pfarrei sang unter der Leitung von Claudius Zander.