Aufarbeitungstudie in Schwelm vorgestellt

Wie konnte und kann es zu sexualisierter Gewalt in der Kirche kommen – und wie kann diese Gewalt bestmöglich verhindert werden?
Diesen Fragen hat sich das Bistum Essen mit der Beauftragung einer sozialwissenschaftlichen Studie gestellt, die im Februar vorgestellt wurden.
Am Donnerstagabend, 23.03., wurden die Ergebnisse im Pfarrsaal der katholischen Propstei St. Marien vorgestellt.
„Die Ergebnisse der Studie sind mitunter erschreckend, verstörend und belastend“, stellte Markus Potthoff, Leiter des Ressorts Kirchenentwicklung im Generalvikariat, zu Beginn der Veranstaltung fest. „Nicht umsonst gibt es auf der Seite des Bistums, auf der die 400 Seiten umfassende Erhebung veröffentlicht ist, eine Triggerwarnung.
Ich bitte auch an diesem Abend, dass Menschen die an eigene belastende Erfahrungen erinnert werden, offen zu sprechen, wenn sie es möchten“, bot der Bistumsmitarbeiter an.
Und man merkte, dass dem Kirchenmitarbeiter, wie vielen anderen Haupt- und Ehrenamtliche an diesem Abend im Schwelmer Pfarrsaal, das Thema der sexualisierten Gewalt in der katholischen Kirche auf der Seele brennt.

Für die 2020 begonnene Untersuchung hatte ein Team des Münchener Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) erforscht, welche strukturellen und systemischen Bedingungen sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche im Bistum Essen begünstigt haben und bis heute begünstigen.
Die Ergebnisse stellte Markus Potthoff am Donnerstagabend in der Propstei St Marien als zentrale Veranstaltung für alle aus dem Kreisdekanat, sprich auch für die Nachbarpfarreien St.
Peter und Paul Hattingen und St. Peter und Paul Witten – Sprockhövel – Wetter, vor.
Mit welchem Ziel? „Durch die Thematisierung vor Ort möchten wir eine neue Gesprächskultur schaffen“, erklärte Matthias Mencke von der Katholischen Erwachsenen- und Familienbildung (KEFB), der durch den Abend führte. „Wir müssen nun alle mit den Konsequenzen leben und es wird ein langer Weg, wieder die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen zurückzugewinnen“, machte Markus Potthoff deutlich.

Was die sogenannte IPP-Studie deutlich machte: Bis 2010, als die massiven Missbrauchsfälle von Schülern am Canisius-Kolleg in den 1970er und 1980er Jahren öffentlich wurden, gab es im Bistum Essen eine deutliche Täterorientierung. Die Opfer wurden nicht in den Blick genommen und auch keine Bemühungen fanden statt, weitere Opfer ausfindig zu machen.
Ab 2010, auch mit Bischof Franz-Josef Overbeck als neuen Bischof im Bistum Essen, fand ein hartes Durchgreifen gegenüber beschuldigten Klerikern statt.
Das reiche natürlich nicht aus. Bischof Overbeck sprach bei der Veröffentlichung von „massiven Versäumnissen, aktiven Vertuschungen und institutionellen Fehlern
in seinem Bistum“, die es gilt aufzuarbeiten. Deshalb gibt die Studie klare Handlungsempfehlungen, um Strukturen zu verändern und Missbrauchsfälle künftig zu verhindern.

Dazu zähle auch, Machtstrukturen aufzulösen, wie es im Synodalen Weg bereits bearbeitet wurde. Aber auch die professionelle Überarbeitung der Schutzkonzepte vor Ort, die alle Pfarreien bereits vor vielen Jahren erstellt haben, sei ebenso wichtig.

Dass es noch ein langer Weg der Aufarbeitung wird, war allen Anwesenden an diesem Abend klar.
Auf die Frage mit Blick auf immer mehr Kirchenaustritte, ob die heutige Kirche noch zu retten sei, sagte Markus Potthoff ganz deutlich: „Diese Kirche darf so, wie sie ist, nicht gerettet werden. Stattdessen muss eine neue Kirche entstehen, die sicher viel kleiner und anders sein wird, als wir sie kennen. Aber ich bin froh, dass diese Veränderungen nun passieren.“

Die gesamte Studie findet sich auf der Seite des Bistums Essen unter:
aufarbeitung.bistum-essen.de

Dort finden sich auch die Kontaktdaten der Ansprechparter für Betroffene.

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